von Dipl.-Ing. Dirk Dorsemagen

Tragwerk

Das Fakultätsgebäude für Bergbau und Hüttenwesen ist eine Stahlskelettkonstruktion. Die meisten Büro- und Geschäftsbauten der Zeit waren Stahlbeton-Skelettbauten. Bedenkt man, daß der Bau wesentlich von der neu gegründeten Montanunion finanziert wurde und der Bau ‚Hüttenwesen' im Namen trägt, so liegt es nahe, daß hier mit einem Stahlskelett Produkte der Stahlindustrie gefördert werden sollten.
Das Hochhaus ist ein dreiständriger Stahlskelettbau (Stahlgüte St. 37.12). Nach der Montage des Stahlskeletts wurden die Decken zwischen dem Trägerrost mit Beton ausgegossen, um statisch als Massivdecken die horizontale Aussteifung zu übernehmen. Die vertikale Aussteifung erfolgt durch senkrechte Beton-Querscheiben, sowie der ‚Festpunkt' mit Fahrstühlen und Wetterschacht. Die Mittelstützen wurden für die Montage des Stahlskeletts als Gitterstützen ausgebildet und für die nachfolgende Massivdeckenbelastung als kombinierte Stützen mit Stahlbetonummantelung vervollständigt.
Sämtliche Stahlstützen und tragende Unterzüge, soweit sie keine Betonumwehrungen oder vollständige Einmauerung erhielten, wurden durch ein "anerkanntes und geprüftes Isolierverfahren ca. 2cm stark feuerhemmend, bzw. feuerbeständig ummantelt." In den Bauakten wird das Spritzasbest-Verfahren als ‚Limpert'-Feuerschutz-Isolierung bezeichnet und in dem in ‚Bauen in Stahl 2' veröffentlichten Fassadenschnitt wird die Asbestummantelung mit 26 mm Stärke präzisiert.


Fassadenkonstruktion

Die Außenwände des Hochhauses sind bis auf den Erschließungskern am östlichen Ende wie die Straßenseiten der übrigen Flügel vollständig verglast.
Die schlanken Außenstützen der Stahlkonstruktion treten zum Teil in der Fassadengestaltung in Erscheinung und sind mit einer Aluminiumblech-Verkleidung über die ganze Höhe von 40 m abgedeckt. Das Erdgeschoß ist an den Fassaden zu Ernst-Reuter-Platz und Hardenbergstraße um gut einen Meter eingerückt und die sonst in der Fassadenebene der Obergeschosse liegenden Stützen stehen hier frei davor.
Geschoßhohe Fassadenelemente sind zwischen die Hauptstützen des Stahlskeletts und Binnenstützen, die nur von Geschoßdecke zu Geschoßdecke spannen, gestellt. Die Anschlüsse an die Binnenstützen und die Geschoßdecken wurden mit hellblau lackierten, gefalzten Stahlblechen abgedeckt. Die Fassadenelemente sind aus anthrazitfarbenen Spezial-Fensterstahl-Profilen zusammengesetzt (DIN-Profile der Reihen B und C). Die obere Hälfte nehmen die Wendeflügelfenster mit Thermopane-Glasscheiben ein.

   

In der unteren Hälfte ist die Brüstungszone mit dunkelblauem Durocolorglas (rückseitig emailliertes Einscheibensicherheitsglas ESG) gefüllt. Die Scheiben sind vorgespannt, so daß sie im Zerstörungsfall in kleine Krümel zerbrechen und nicht in großen Stücken herabfallen. Innenseitig sind diese Brüstungen mit 20 cm starkem Gasbetonmauerwerk (Ytong) hintermauert. Auf eine zusätzliche Wärmedämmung wurde verzichtet, da nach den seinerzeitigen DIN-Vorschriften der durch das Gasbetonmauerwerk vorhandene Dämmwert ausreichend gewesen ist. Zwischen Scheibenrückseite und verputztem Brüstungsmauerwerk befindet sich ein Luftraum.


Bewertung

Nach dem jetzigen Kenntnisstand, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, das der TU Bauabteilung vorliegende Asbestgutachten einsehen zu können, scheint sich nach Studium der vorhandenen Baupläne (Einrichtungspläne M1:50) und einer Reihe von Baufotos, die während der Montage der Fassadenelemente entstanden und das Auftragen des Asbests dokumentieren, der Spritzasbest auf die Stahlteile in der Fassadenebene zu beschränken (Haupträger, Decken-Abschlußträger, Binnenstütze). Daher müßte es möglich sein, nach Herausnahme der Fassaden-Verglasung und der Verkleidungsbleche den Asbest von einer Einrüstung aus zu entfernen, ohne das Gebäude auf seinen Rohbau rückbauen zu müssen. Dabei könnte sogar eine Möglichkeit erarbeitet werden, die Fensterstahl-Profile in situ zu belassen, da der Asbest auch erst nach der Montage dieser Profile aufgebracht wurde.
Der Dämmwert der Fassade kann im Bereich der Brüstungen mit geeigneten Matrialien im Hohlraum zwischen Durocolorglas und Mauerwerk oder mit einer geeigneten Innendämmung (z.Bsp. Kalziumsilikat) verbessert werden.

      

Die Verglasung mit dem heute üblichen Thermopane-Glas war eine technische Neuerung der 50er Jahre. Ein ‚Paket' aus zwei Glasscheiben mit eingeschlossenem, in der Regel ca. 7 Millimeter breiten, luftleerem Raum ersetzte die bis dato üblichen Verbund- oder Kastenfenster. Die meisten bauzeitlichen Thermopane-Scheiben sind inzwischen durch neue ersetzt. Die Haltbarkeit ist begrenzt. Der Glaszwischenraum wird undicht, so daß Wasserdampf auf den Scheibeninnenseiten niederschlägt und die Fenster ‚blind' werden. Die neuen Thermopane können auch mit dickeren Glasscheiben konstruiert werden, so daß bessere Schall- und Wärmeschutzwerte erreicht werden können.
Aus heutiger sich sind die thermisch ungetrennten Stahlprofile der Fenster eine wärmetechnische Schwachstelle, da hier der gut leitende Stahl eine Kältebrücke bildet. Angesichts des geringen Flächenanteils der Stahlprofile an der gesamten Fassadenfläche, darf dieser Aspekt nicht überbewertet werden. Wichtiger ist, daß die Kältebrücken zu keiner Kondensatbildung auf den kalten Oberflächen und damit zu Korrosionsschäden führen können. Die Bauaufnahme der Fenstertypen des Bergbau und Hüttenwesen-Gebäudes hat jedoch gezeigt, daß die Stahlprofile in vergleichsweise gutem Zustand sind und lediglich ertüchtigt werden müßten (Schleifen, Rostschutz, Farbfassung, etc.).
Die Stahlfenster sind mit nur einem Anschlag konstruiert, was besonders in den oberen Geschossen, bei zunehmendem Winddruck, zu teilweise unbefriedigender Winddichtigkeit führt. Ein gewisser Luftaustausch wird im Vergleich zu den hermetisch abgedichteten Fenstern unserer Zeit inzwischen auch als ‚natürliche Lüftung' gewertet, die zu einem gesunden Raumklima führt. Um die Dichtigkeit der Stahlfenster zu verbessern, können Möglichkeiten erarbeitet werden, die Anschläge mit einer Gummidichtung nachzurüsten.
Da die Fassade des Hochhauses keinen Sonnenschutz vorsah, wurden an der Südfassade außenliegende Sonnenschutzjalousien angebracht. Sie beeinträchtigen das Erscheinungsbild nur geringfügig, sind jedoch überwiegend schadhaft und zu ersetzen.


Fazit

Aus denkmalpflegerischer Sicht rechtfertigt der geschichtliche und künstlerische Wert der Stahlglas-Fassade eine behutsame Sanierung, ohne daß alle bautechnischen Mängel behoben werden, solange diese keine Bauschäden verursachen und die Nutzung des Gebäudes beeinträchtigen. Bei einer differenzierten Kosten-Kalkulation kann sicherlich auch die Ertüchtigung in finanzieller Hinsicht mit einer Erneuerung konkurrieren und wäre im Sinne der Nachhaltigkeit ohnehin sinnvoll.

Dipl.-Ing. Dirk Dorsemagen

Auszug aus dem Dissertationsvorhaben Büro- und Geschäfthaus-Fassaden der 50er Jahre im Rahmen des Graduiertenkollegs Kunstwissenschaft - Bauforschung - Denkmalpflege der Uni Bamberg und der TU Berlin, betreut von Herrn Professor Dr.-Ing. Johannes Cramer und Frau Professor Dr.-Ing. Dorothée Sack, beide TU Berlin.




Chronologie:

  • Seit 2000: Das Gebäude für Bergbau und Hüttenwesen wird sukzessive geräumt. Dabei gehen originale Ausstattungsstücke verloren. Zudem wurde seit den 80er Jahren der Gebäudeunterhalt in zunehmendem Maße vernachlässigt.
  • Juni 2001: Erste Kontaktaufnahme zur TU-Bauverwaltung durch Herrn Steigenberger. Ein Gesprächstermin mit Herrn Dipl.-Ing. Hans-Joachim Rieseberg, der vorab um eine kurze Darlegung des Anliegens bat, wurde vereinbart. Folgende Fragen sollten diskutiert werden:
    • "spielen die Vorschläge des 'Planwerk-Innenstadt' bei der bevorstehenden Sanierung eine Rolle;
    • wird das ursprüngliche Erscheinungsbild verändert: Fenster? - Asbstsanierung? usw.
    • wie das Gebäude zukünftig genutzt werden soll bzw. ob die Planungen Veränderungen des Grundrisses und der bauzeitlichen Inneneinrichtung zur Folge haben."
  • Beginn der Zusammenarbeit mit Herrn Dipl.-Ing. Dorsemagen, der in seiner Dissertation über Büro- und Geschäftshäuser der 50er Jahre in West-Berlin auch die Fassadenkonstruktion des Bergbau und Hüttenwesen- Gebäudes untersucht.
  • Gemeinsamer Gesprächstermin mit Herrn Rieseberg, der kurzfristig durch seine Mitarbeiterin, Frau Dipl.-Ing. Carola Heffter vertreten wurde. Uns wurde mitgeteilt, die aktuellen Planungen liefen im Vorfeld einer Grundinstandsetzung, deren Beginn sich seit 1998 aber immer wieder verschiebe. Von einem geplanten Abbruch ist zu keinem Zeitpunkt die Rede - maximal eine Veränderung des EG-Bereichs und eine eventuelle Öffnung der Hertzallee würden diskutiert. Eine über die Instandsetzung hinausgehende Nutzungsplanung gäbe es noch nicht.
  • im November 2001: Angesichts fehlender Detailpläne wurde von dem Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer und betreut durch Herrn Dorsemagen mit dem Grundstudium Architektur eine Bauaufnahme sämtlicher Fenstertypen und originaler Ausstattungsstücke durchgeführt sowie ein Raumbuch zu wichtigen Gebäudeteilen erstellt. Die Ergebnisse der Bauaufnahme zeigen, daß die Stahlfenster in vergleichsweise gutem Zustand sind und ohne weiteres ertüchtigt werden könnten. Vielmehr liegt das Problem der Fassade bei Mängeln wärme- und schalltechnischer Art, wie sie die meisten Bauten dieser Zeit aufweisen.
  • 10. Juni 2002: Der Leiter der TU-Bauverwaltung, Hans-Joachim Rieseberg, verkündet im Rahmen einer Vortragsreihe des Schinkel-Zentrums der TU den mit der Senatsbauverwaltung gemeinsam beschlossenen Abriß des Fakultätsgebäudes für Bergbau und Hüttenwesen. Bergündet wird dies mit den zu hohen Sanierungskosten von schätzungsweise 40 Mio. EUR.
  • Juli 2002: Die Berliner Architektenkammer und TU Professoren fordern in einem Schreiben an den Präsidenten der TU, Kurt Kutzler, eine offene Diskussion und Prüfung einer kostengünstigeren Sanierungsvariante sowie einen Einblick in die Gutachten.


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