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von Dipl.-Ing. Horst Grünberg Erinnerungen an Prof. Willy Kreuer...... ![]() Umsomehr verfolgten wir nach 1945 seine damalige Bautätigkeit: Amerika - Gedenkbibliothelk, Rathaus Kreuzberg, Institut für Bergbau und Hüttenwesen, ADAC Haus, Institut für Technische Chemie ....... und liebten über alles seine Wettbewerbsentwürfe. Wir mochten ihn als Lehrer ......, weil er kein Hochschullehrer im üblichen Sinne war, er lehrte nicht, wie man Architektur macht, er war nur beispielhaft: als Architekt, als Hochschulprofessor, als Mensch. Und auf allen diesen Feldern war er sehr zurückhaltend: z.B. in der Kritik beim Beurteilen von Studentenarbeiten. Seine Kritiken mußte man rätselhaft verstehen - aber man wußte, wenn die Toilettenanlagen zum Gegenstand der Kritik wurden, dann war der Entwurf durchgefallen, und man setzte sich lieber mit einem total neuen Entwurf seiner Korrektur aus. Er kannte nicht die Studenten, aber er kannte deren Entwürfe, noch nach Jahren genau! Wenn von Personen die Rede war, orientierte er sich nach deren Arbeiten ... "das war doch die oder der mit dem schiefen Turm als Kindergartenvorschlag"? Er stellte nie seine Architektur als beispielgebend hin. Seine Zurückhaltung verbat ihm das, sondern er würdigte die Arbeit des anderen. Phantasie und Qualität waren sein Maßstab, ohne Ansehen der Person. Das war seine Meisterschaft: Qualität erkennen. Keiner wer ihm gleich im Lesen und im Erkennen sowie im Herausstellen des Wesentlichen eines Entwurfes. Damit verblüffte er alle seine Kollegen z. B. in Preisgerichten. Während andere Professoren sich noch mühsam damit beschäftigten, wie man von A nach B kommt, ob Stützweiten und Brandabschnitte funktionierten, hatte er schon die Rangfolge der Qualitäten anderer Arbeiten im Kopf. Er wollte nicht sehen, ob eine Tür fehlt oder eine Treppe zu kurz war, er erkannte immer das Positive in einem Entwurf, die Möglichkeiten in der Funktion und das Beispielhafte in der Gestaltung. Ich habe lange Jahre ihm und mit ihm gearbeitet. Ober 25 Jahre haben wir uns mindestens einmal wöchentlich gesehen: 1960 wurde ich Student bei ihm, weil man spürte, bei ihm konnte man in großer Freiheit am meisten phantasieren. Diese Möglichkeit lockte insbesondere "begabte Architekten", die seine Freiheit schätzten. Sie schätzten sein Urteil im Kopfnicken, arbeiteten in seinem Seminar oft bis in die Nacht hinein, bis der Hausmeister sie rausschmiß gegen Mittemacht. Hin und wieder schlief jemand auf dem Sofa ein, um am Morgen geweckt zu erden. Die sog. "Kreuer - Ecke" bestand aus gemütlichem Hausrat, aus Kühlschrank und Kocher, aus Erinnerungsphotos, aus Signaturen früherer Absolventen an den Wänden und aus Lieblingspflanzen und einer großen Voliere. Die Gleichberechtigung hatte zur Folge, daß diese Ecke nur einmal in der Woche widerwillig vom Hauspersonal gereinigt wurde. Die Vögel mit ihrem Dreck blieben stets Sieger. In diese Ecke fühlten wir uns als angehende Künstler, die sich mit ihrem Meister austauschten: was ist primär, die übergeordnete, plötzliche Idee oder das langsame Entstehen und Werden auf immer weder frischem Skizzenpapier? Ist es die Genialität vor der Arbeit? oder das mühsame Probieren bei der Arbeit? Bei solchen Fragen gab es Austausch der Gedanken mit "unserem Kreuer" in der Vögelecke und nicht selten floß dabei Alkohol aus dem immer zu kleinen Kühlschrank Und wir waren uns alle einig, wir liebten das Gespräch, sein Seminar, sein letztes Wort und die Kreuer - Ecke mit der Kreuer - Farbe. Bei keinem Bau von ihm fehlte das sog. "Kreuer - Blau" (Blau mit viel oder noch mehr Türkis!) Darin wetteiferten wir ihm am meisten nach. Fragt man heute Kreuer - Schüler nach ihren Arbeiten, dann erkannt man sie haarscharf am "Kreuer - Blau". Alles beim Bauen hat seine Farbe, das Blau als Einziges kann und muß man hinzufügen. Das waren und sind wir der "Kreuer - Fahne" in der Kreuer - Ecke schuldig. Alle 2 Jahre treffen wir uns für drei Tage wieder, ca. 100 Architekten, jeweils in einer anderen deutschsprachigen Stadt, um Erinnerungen auszutauschen, vor allem aber auch, um uns mit der jeweiligen Gastgeberstadt zu beschäftigen, was Kultur, Stadtbaukunst und Architektur betrifft. 2001 war Potsdam dran, 2003 ist es München. Wir vermissen dabei nur Kreuer selbst seit 15 Jahren. Ich selbst war bis zum Diplom Hilfsassistent bei Kreuer. Mindestens 1 x pro Woche haben wir, der "Lehrstuhl", gemeinsam gegessen, häufig in der Paris - Bar, Assistenten, Mitarbeiter - mindestens ein Bier und ein Schnaps. Auch diese Tradition setzte sich fort, bis in dieses Jahr. Immer wollten wir etwas Gemeinsames bewahren. Egal, wie die Zeiten waren, ob Chruschtschows - Ultimatum, ob Mauerbau, ob die "wilden 68-iger", ob Warten auf die Wiedervereinigung. Ober alles wurde gesprochen - nie aber über ganz Persönliches, über Glaube oder die neuste Freundin. Das war tabu. Kreuer war sehr sensibel, nicht nur bei seiner Arbeit, sondern auch in seinem Privatleben. Ich wüßte keinen, dem er zu nahe getreten ist - außer wenn es gegenüber Behörden galt bei neuen Projekten deutlich zu machen, was Kunst ist! Ich war Mitarbeiter in seinem Büro, wir haben Wettbewerbe zusammen gemacht, später in meinem Büro; gleichzeitig war ich Lehrbeauftragter an seinem Lehrstuhl, in der Nach - 68 - iger Zeit, als mehr bei ihm statt Lust nur Uni - Frust aufkam. Wir machten weiter nach der Emeritierung an Projekten ...... . Seine letzte und meine letzte Arbeit mit ihm zusammen war quasi die Sanierung und Vollendung seines Erstlingswerkes: des Rathauses Kreuzberg. Am Wochenende noch machte er mich auf das schlechte Detail am Kellerfenster der neuen Rathausfassade aufmerksam. Sonst pflegte er dazu eine Skizze zu machen. Drei Tage später war er gestorben ... noch heute beschäftigt es mich, was an dem Kellerfenster "schief gelaufen" ist, was nicht in seinem Sinne vollendet werden konnte gruenberg@nachkriegsmoderne.de |
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